Unternehmensfinanzierung - Inside the Bank

Lesezeit: 8 min
10. September 2022

Finanzberater Thomas Leopold im Interview. Du erfährst, worauf du als Unternehmer, Selbständiger und Freiberufler in Sachen Bank und Finanzierung achten solltest. Außerdem verrät der Ex-Banker, warum er die Seiten gewechselt hat und heute lieber mittelständische Unternehmen bei Fragen zur Unternehmensfinanzierung berät.

Inhaltsverzeichnis

Thomas Leopold ist heute immer noch im Bankenwesen unterwegs, allerdings auf einer anderen Art und Weise. Der ehemalige Banker berät heute mittelständische Unternehmen bei Fragen zur Unternehmensfinanzierung und Finanzierungsplanung.

Ein Banker wechselt die Seiten

Thomas ist seinerzeit bei der Commerzbank im Bereich Finanzierung tätig gewesen, bevor er ausgestiegen ist. Den Grund für den Ausstieg erklärt er folgendermaßen:

Thomas: Als Firmenkundenbetreuer in einer Bank konnte ich nur noch 5 bis 10 % meiner Zeit dafür einsetzen, Unternehmen und Menschen zu beraten und an meiner Erfahrung teilhaben zu lassen. Die restlichen 90 % musste ich damit verbringen, interne Strukturen zu bedienen. Da hatte ich schlicht und ergreifend keine Lust mehr drauf. Ich möchte nur noch Tätigkeiten nachgehen, die mir Spaß machen. Viele Kunden meinen, dass sie im Mittelpunkt der Interessen der Banken stehen. Das ist nicht der Fall. Unternehmen sind heute Kontonummern und bestimmte Unternehmensgrößen müssen den Banken bestimmte Erträge bringen. Ansonsten sind sie nicht interessant für die Bank. Das Bankgeschäft hat sich fundamental verändert. Banker haben in der Beratung immer weniger Zeit für den Kunden und arbeiten mit standardisierten Prozessen. Heutzutage wird nur noch über das Unternehmen und dessen Produkte gesprochen. Für die Menschen dahinter interessiert sich niemand mehr, außer vielleicht noch der Bankberater im direkten Kontakt. Aber darüber hinaus geht es nur um Zahlen. Das ist nicht das Geschäft, was ich betreiben möchte. Was mich glücklich und reich macht, ist die Arbeit von Mensch zu Mensch.

Unternehmen in Finanzierungsnot - Was sind mögliche Ursachen?

Thomas: Meine Kunden sind in aller Regel in der Situation, dass sie bei ihren Banken mit den Finanzierungswünschen, die sie haben, nicht mehr weiterkommen. Oft haben sie auch wirtschaftliche Schwierigkeiten, was ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Banken sehr zurückhaltend sind. Diese finanziellen Schwierigkeiten, Liquiditätsprobleme, entstehen oft durch strukturelle Probleme. Durch etwa starken Wachstum kriegen sie von ihren Banken nicht genug Liquidität zur Verfügung gestellt. Wenn sehr viel produziert und verkauft wird und betriebswirtschaftliche, organisatorische Strukturen nicht nachwachsen, nicht mitwachsen, vernachlässigt werden, fällt einem das in aller Regel auf die Füße. .

Finanzierungshilfe: Risikofaktoren und Standardprozesse bei der Kreditvergabe

Thomas: Ein Standardprozess funktioniert generell immer nur dann, wenn der Kunde die Standards kennt und sie entsprechend auch erfüllt. Bei Kreditvergaben ist das natürlich der wirtschaftliche Erfolg, der sich durch den Jahresabschluss abbildet. Wenn ein Unternehmen diesen nicht belegen kann, wird ein standardisiertes System immer nein sagen. Und wenn ein Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, braucht es einen erfahrenen Banker, der das Unternehmen begreift. In Standardprozessen ist nicht gewünscht, dass das Unternehmen begriffen wird. Da spielt das Unternehmen gar keine Rolle. Solche Unternehmen sind in der Sanierungsabteilung bestens aufgehoben. Dort nehmen Spezialisten diese Standards raus und kümmern sich individuell um den Kunden. So findet man oftmals Lösungsmöglichkeiten, die es im Standardprozess nicht gibt.

Finanzierungshilfe - Was ist wichtig für die Neuausrichtung?

Privatpersonen haben oftmals kein Gefühl für ihre Zahlen. Bei Unternehmen gibt es eine Bilanz oder BWA. Haben deine Kunden einen Überblick über ihre BWA oder ihre Bilanz und verstehen, was dort drin steht?

Thomas: Sehr häufig wird sich inhaltlich leider nicht damit auseinandergesetzt, weil der Unternehmer andere Interessenschwerpunkte hat, wie in etwa Produktion und Dienstleistung. Die betriebswirtschaftliche Auswertung macht ein Steuerberater. Erwartet wird, dass dieser Mitteilung macht, wenn etwas nicht stimmt. So ist das aber in der Regel leider nicht. Ein Steuerberater hat meist den Auftrag, zu verbuchen und der Unternehmer muss dann selbst auswerten. Daher biete ich auch betriebswirtschaftliches Coaching an. Ich gehe mit Mandanten die betriebswirtschaftlichen Auswertungen und Jahresabschlüsse durch, damit sie das verstehen. Das ist ihr Geld und sie tragen dafür die Verantwortung, nicht der Steuerberater. Wenn ich mit einem Unternehmen arbeite, ist es wichtig, auch den Steuerberater im Boot zu haben. Ich weiß zwar, wo man hingucken und drauf achten muss, aber die spezielle Umsetzung muss immer ein Fachmann machen. Ich darf und kann keine steuerliche Beratung machen. Ich brauche den Steuerberater somit als Partner.

Finanzierung und Neuausrichtung - Vorbereitung auf ein Bankgespräch

Thomas: Gehe niemals unvorbereitet zu einem Bankgespräch. Das funktioniert nicht. Unternehmer müssen wissen, dass Banker eine andere Sprache sprechen. Banker begreifen ein Unternehmen über die Bilanz und die BWA. Diese sollte man dabeihaben und sie sollten aktuell sein. Bestenfalls lässt man keinen Spielraum für Interpretationen. Wenn es Investitionsvorhaben gibt, muss ich die wirklich auch konkretisieren. Wenn ich eine Maschine kaufen möchte, dann muss ich ein schriftliches Angebot dabei haben. Klare Vorstellungen, damit muss ich mich auseinandersetzen und kann das nicht dem Banker überlassen. Man muss sich über die Investition und dessen wirtschaftlichen Erfolge genaue Gedanken machen. Wie und über welche Laufzeit kann ich den Kredit zurückzahlen? Wie verändert sich meine Bilanz künftig, wenn ich eine solche Investition tätige? Wenn ich diese Fragen nicht selbst beantworten kann, sollte ich das mindestens mit meinem Steuerberater diskutieren oder jemanden konsultieren, der etwas von Finanzplanung versteht, um auf die Fragen des Bankers vorbereitet zu sein.

Die häufigsten Fehler bei der BWA oder Bilanz

Die BWA oder Bilanz sind etwa wie das Blutbild beim Arzt. Daraus kann man einiges ableiten.

Thomas: Oft ist die Bilanz oder BWA einfach zu alt. Und man sollte kaum glauben, dass viele Unternehmer nicht wissen, dass sich Kredit-Tilgungsraten beispielsweise nicht in der Umsatz- und Ertragsvorschau abbilden, sondern in der Bilanz. Wenn ich in der BWA ein Ergebnis sehe, dann ist das nicht das Geld, das mir zur Verfügung steht. Das heißt, es wird keine Kapitaldienstberechnung gemacht. Und kleinere Unternehmen wissen oft nicht, was alles zu den Entnahmen zählt. Man beachtet nur den Betrag, den man sich monatlich auf das Konto überweist, aber nicht die weiteren Ausgaben, die über das Firmenkonto laufen. Diese stellen aber die tatsächlichen Entnahmen dar. Krankenkassenbeiträge oder Beiträge zur privaten Rentenversicherung sind keine Betriebsausgaben. Das sind Entnahmen. Hier entsteht ein Ungleichgewicht, weil der Unternehmer sich dann wundert, warum er so viel Steuern zahlen muss, wo er doch so wenig Ertrag hat.

Die 4 häufigsten Finanzierungs-Fehler von Unternehmen, die Thomas Leopold in 39 Jahren Berufserfahrung immer wieder begegnet sind

  • Thomas: Unternehmen setzen sich grundsätzlich selten mit ihren Banken auseinander. Oftmals gibt es sehr große Vorbehalte wie, „Banken verstehen mich nicht“ oder „die wollen mir nur etwas verkaufen“. Und dann gehen sie unreflektiert zu ihren Banken, wenn es um eine Investition geht. Jeder Unternehmer setzt sich mit seinen Lieferanten und Kunden auseinander und das sollte man mit seinen Banken auch tun.
  • Weiterhin werden oft betriebswirtschaftliche und organisatorische Themen vernachlässigt. Diese schiebt man auf die lange Bank und das führt zu brenzligen Situationen. Ein Unternehmen in der Krise hat weder Zeit noch Geld, diese Themen nachzuholen. Das sind Fehler, die dann zu einer Insolvenz oder zu einer massiven Schieflage führen.
  • Wenn es um Kredite geht, liegt der Fokus sehr stark auf dem Zinssatz, also auf den Kosten für diesen Kredit. Das ist nicht entscheidend. Das sind die Kosten für ein Produkt, das ich einkaufe. Wenn es ein Top-Produkt sein soll, kann es auch einen Top-Preis haben. Wichtig ist ein Top-Produkt. Entscheidend sind Finanzierungsstrukturen. Konditionen, Laufzeiten der Kredite und Finanzierungspartner. Wo kaufe ich eigentlich ein? Eine Bank ist nichts anderes, als ein Geschäftskunde. Ist diese Bank morgen noch da? Damit wird sich strukturell nicht auseinandergesetzt. Unternehmensfinanzierung hat oftmals einen viel zu geringen Stellenwert im Doing der Geschäftsleitungen.
  • Warum soll ich mir einen Berater nehmen, wenn es mir wirtschaftlich gut geht? Warum soll ich mich weiterbilden? In diesen Zeiten muss ich für Qualität sorgen und für eine Unternehmensfinanzierung, strategisch für die nächsten Jahre, sorgen. Dafür muss ich Geld investieren. Das ist zwingend notwendig. Dann bin ich, wenn schlechte Jahre kommen, und diese kommen im Laufe eines Unternehmenszyklus immer, gut aufgestellt und nicht abhängig von Banken.

Finanzierung in der Zukunft

Ein Blick in die Zukunft. Unternehmensfusionen stehen in Deutschland an der Tagesordnung und viele Filialen schließen. Wie könnte die Entwicklung der Banklandschaft in den nächsten 10 bis 15 Jahren aussehen?

Thomas: Die Bankenlandschaft verändert sich aktuell fundamental. Es wird weiter Fusionen geben und das bedeutet, dass die Finanzierungspartner, die teilweise seit Jahrzehnten im mittelständischen Bereich unterwegs sind, in Zukunft dort wegfallen. Es gehen persönliche Kontakte verloren. Dies führt immer zu Lähmungserscheinungen in der Kreditabteilung. Angst um Jobs, die Vorstände wollen im Vorstand bleiben, aber irgendeiner muss darunter leiden. Da möchte sich keiner mehr Fehler erlauben. Ob eine Kreditentscheidung richtig war, sieht man erst immer später. Und Unternehmen, die eine gute Bonität vorweisen und immer problemlos ihre Finanzierung bekommen haben, werden zukünftig auf Schwierigkeiten stoßen, die nichts mit ihrem eigenen Unternehmen zu tun haben. Sehr wohl aber mit ihren althergebrachten Finanzierungspartnern.

Wir haben in Deutschland über 700 FinTechs. Das heißt, wir haben digitale Unternehmen, die in diese Marktlücke vorstoßen, die Banken hinterlassen und die über digitale Prozesse Finanzdienstleistungen anbieten. Das können Banken heute noch gar nicht leisten. Kunden haben schlicht und ergreifend keinen Bock drauf, ein halbes Jahr oder länger auf eine Kreditentscheidung zu warten. Sie suchen sich also andere Partner, die das besser darstellen können. Das wird mit einer der Punkte sein, warum Banken von der Bildfläche verschwinden werden. .

Unternehmensfinanzierung - Sind FinTechs eine attraktive Lösung?

Viele lösen ihre Privatkonten bei der örtlichen Bank vor Ort auf und gehen zu Online-Banken, also auch zu FinTechs. Ist das eine Möglichkeit oder eher eine Gefahr, wenn man sich als Unternehmer auf eine FinTech verlässt, um Kontoführungsgebühren zu sparen?

Thomas: Ein sehr erfolgreicher Unternehmer, nämlich Friedrich Krupp, hat in den 60er Jahren mal gesagt:

„Die vornehmste Aufgabe eines Unternehmers ist es, sich die richtigen Menschen zu suchen, für das, was er selber alleine nicht mehr machen kann.“

Das sind Aufgaben, die ein Unternehmer heute hat. Die Personalsuche hört nie auf, genauso wenig wie die Suche nach geeigneten Geschäftspartnern. Das betrifft Kunden, Lieferanten und natürlich auch Banken. Sicherlich gibt es einige dieser Fintechs, die fragwürdig sind. Es ist die Aufgabe des Unternehmers, sich damit auseinanderzusetzen und über gegenseitiges Kennenlernen herauszufinden, wer dahintersteht. Gerade im Finanzierungsbereich stehen entweder Banken dahinter, die sich auf diese Art und Weise digitale Partner einkaufen, es stehen aber häufig auch Anleger dahinter. Wir haben in Deutschland eine Niedrigzinspolitik. Das heißt, es gibt ganz viel Geld, dass Anleger oder eine Anlagemöglichkeit sucht. Klassische Anlagemöglichkeiten funktionieren nicht mehr. Also gibt es viele Privatanleger, die sich an Unternehmen beteiligen wollen. Als Unternehmenskunde kann man hier über entsprechende Plattformen innerhalb von wenigen Tagen Geld bekommen. Das ist attraktiv.

Sollte man beim normalen Firmenkonto wechseln oder bei der Bank vor Ort bleiben?

Thomas: Ich halte sehr viel davon, bei den örtlichen Banken zu bleiben, was den Zahlungsverkehr angeht. Wenn der Banker fragt, wie es mir wirtschaftlich geht, sollte er diese Frage ebenfalls beantworten können. Wie bist du am Markt positioniert? Wirst du dich zukünftig verändern, fusionieren? Das Transaktionsmanagement, die Konten, werden in aller Regel weiter funktionieren. Auf einem Bein steht sich’s schlecht. Ich würde mich mal mit digitalen Finanzierungspartnern auseinandersetzen und eventuell zweigleisig fahren. Das kennen wir ja auch aus dem Anlagebereich.

Fazit: 3 Tipps von Thomas Leopold für Unternehmer und Selbständige zum Thema Finanzierung

  • Thomas: Eine strukturierte Finanzplanung durchzuführen, ist elementar wichtig. Diese ist nicht dem Zufall zu überlassen und nicht auf die lange Bank zu schieben. Planung, Zielsetzung, Abweichungen, und zwar detailliert. So bekomme ich ein besseres Zahlengefühl, um in die Zukunft besser zu planen.
  • Wer sind meine Bankpartner? Wer sind meine Finanzierungspartner? Bitte nicht aus reiner Treue bei der Bank bleiben. Das spielt für die Zukunft überhaupt keine Rolle. Funktioniert die derzeitige Finanzierung auch noch in 12 Monaten? Wenn das so ist, gut. Dies sollte regelmäßig überprüft werden.
  • Die Betriebswirtschaft hat mindestens einen genauso hohen Stellenwert in einem Unternehmen, wie die Produktion oder die Dienstleistung. Denn in der Betriebswirtschaft wird das Geld zusammengehalten oder vergoldet, was in der Produktion verdient wird.

Thomas Leopold hat das Buch geschrieben „Banker sind anders. Die Kunst der Unternehmens-Finanzierung“ und wer mit ihm Kontakt treten möchte, kann dies über seine E-Mail-Adresse kontakt@leopold-consulting.de tun.

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Thomas Leopold und Sven Stopka

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